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RS Nr. 12/2023: Informationen zur Kostenerstattung gem. §§ 89d SGB VIII

29.03.2023 LJA

Informationen zur Kostenerstattung gem. §§ 89d SGB VIII

- Online-Beantragung der Kostenerstattung
- Fragen der Zuständigkeit und der gesetzlichen Vertretung bei Beantragung von Hilfen zur Erziehung
- Anmeldung von Fällen zur Gewährung der Verwaltungskostenpauschale -Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen in Einzelfällen
- Save-The Date: “Workshop Kostenerstattung § 89d für die wirtschaftliche Jugendhilfe” am 17.05.2023 in Münster

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Rundschreiben möchte ich Sie über Neuerungen betreffend die Beantragung der Kostenerstattung gem. § 89d SGB VIII informieren. Ferner möchte ich Ihnen aufgrund von Anfragen aus der Praxis Hinweise zur Zuständigkeit für die Leistungsgewährung für junge Volljährige nach Zuweisung durch die Verteilstelle, zu den gesetzlichen Voraussetzung der Leistungsbeantragung sowie zur Geltendmachung der Verwaltungskostenpauschale geben und Änderungen bei der Kostenerstattungspraxis in Einzelfällen anzeigen.

Für einen gemeinsamen Austausch mit Ihnen zu vielen Fragen der Kostenerstattung gem. § 89d SGB VIII bieten wir außerdem erneut einen „Workshop Kostenerstattung“ für die Fachkräfte in der wirtschaftlichen Jugendhilfe an. Dieser findet am 17.05.2023 in Münster statt – bitte geben Sie diesen Termin schon an Ihre Mitarbeiter:innen weiter – eine gesonderte Ausschreibung für die Anmeldung zu diesem Workshop folgt in Kürze.

1. Beantragung der Kostenerstattung gem. §89d SGB VIII als Onlinedienstleistung über das Serviceportal des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und weitere Hinweise zum Erstattungsverfahren

Ab dem 03.04.2023 ist es Ihnen möglich, über das Serviceportal des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe Anträge auf Kostenerstattung gem. § 89d SGB VIII (perspektivisch ebenfalls für die Kostenerstattung gem. § 89ff. SGB VIII) zu stellen. Sie finden das entsprechende Antragsformular auf den Seiten des Serviceportals unter: https://serviceportal.lwl.org

Neben der online-Antragstellung auf dem dort hinterlegten Antragsbogen, den Sie am PC ausfüllen können, ist es auch möglich und erwünscht, dort zugleich die Unterlagen anzufügen, die für die Entscheidung über die Bewilligung der Kostenerstattung erforderlich sind. Sie haben aber weiterhin die Möglichkeit, uns Ihren Antrag auf Kostenerstattung sowie Ihre Abrechnungen per E-Mail an kostenerstattung@lwl.org zu senden. Die Liste der erforderlichen Nachweise können Sie unter https://www.lwl-landesjugendamt.de/de/unsere-handlungsfelder/weitere-aufgaben/wirtschaftliche-jugendhilfe-kostenerstattung/ unter der Rubrik „Materialien & Formulare“ abrufen.

Letztlich möchten wir Sie bitten, uns Ihre Abrechnungen (Formular B4) erst zukommen zu lassen, wenn Sie die Eingangsbestätigung zu Ihrem Antrag mit dem dazugehörigen Aktenzeichen erhalten haben. Die Zuordnung der Abrechnung zu Ihrem Antrag ist dann möglich. Vielen Dank!

2. Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige nach Zuweisung und Inobhutnahme

Zu nachfolgender Fallkonstellation wurden vermehrt Zuständigkeitsanfragen gestellt:
Kurz vor der Volljährigkeit stehende UMF werden vorläufig vom Jugendamt A in Obhut genommen (§ 42a SGB VIII) und zum Jugendamt B zur Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) verteilt. Eine Vormundbestellung wird seitens des Familiengerichts aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Volljährigkeit nicht mehr vorgenommen. Eine Gewährung einer Hilfe zur Erziehung durch das Zuweisungsjugendamt B scheidet folglich aus. Der UMF stellt einen Antrag auf Hilfe für junge Volljährige, welche auch gewährt werden soll.

Nach überwiegender Meinung der Kommentarliteratur und bei einer Wortlautauslegung endet der Anwendungsbereich des § 88a SGB VIII mit Volljährigkeit, sodass für die Hilfe für junge Volljährige die Zuständigkeit gemäß § 86a SGB VIII zu bestimmen wäre. In der geschilderten Fallkonstellation kann nicht, wie in den meisten Fällen üblich, die Zuständigkeit des Zuweisungsjugendamtes B aufgrund der gewährten Hilfe zur Erziehung nach § 86a Abs. 4 SGB VIII fortgesetzt werden. Eine Anwendung der Absätze 1 bis 3 des § 86a SGB VIII führt dann aufgrund des Schutzes der Einrichtungsorte in der Regel erneut zu einer Zuständigkeitsbegründung des vorläufig in Obhut nehmenden Jugendamtes A.

Da dieses Ergebnis offensichtlich dem gesetzgeberischen Willen widerspricht, mit der Einführung des Verteilungsverfahrens nach § 42b SGB VIII für eine gleichmäßige Lastenverteilung aufgrund der Einreise unbegleiteter ausländischer Minderjähriger bis zum Abschluss ihres Jugendhilfebezugs zu sorgen, wurde durch das LWL-Landesjugendamt das MKJFGFI angefragt, welches seinerseits dem BMFSFJ diese Frage zur Klärung vorgelegt hat. Es erging von dort der Auslegungshinweis, dass in den vorgenannten Fallkonstellationen die Zuständigkeit für die Hilfe für junge Volljährige gleichfalls auf § 88a Abs. 3 S. 2 SGB VIII gestützt werden könne. Diese hat im Ergebnis die weitere Zuständigkeit des Zuweisungsjugendamts (B) zur Folge.

Im Rahmen der Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII gilt für die beteiligten Jugendämter, dass sowohl eine Zuständigkeitsbegründung nach der Wortlautauslegung über § 86a SGB VIII als auch eine gemäß dem Auslegungshinweis des BMFSFJ über § 88a Abs. 3 SGB VIII als rechtmäßig erachtet wird.

3. Gesetzliche Vertretung bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB VIII – Erfordernis einer Pflegschaft oder Vormundschaft

Vermehrt wird derzeit durch die Praxis berichtet, dass Entscheidungen durch verschiedene Familiengerichte ergehen, mit denen der Antrag des Jugendamtes auf die Bestellung einer Vormundschaft mit dem Hinweis abgelehnt wird, dass der/die Minderjährige ausreichend durch eine – von den im Ausland befindlichen Eltern – bevollmächtigte bzw. erziehungsberechtigte Person (§ 7 SGB VIII) im Inland vertreten werde und/oder eine Vormundschaft wegen des bestehenden telefonischen Kontakts der Minderjährigen zu Eltern nicht bestellt wird, da ein Eingriff in die elterliche Sorge aufgrund dieser Vollmachten und/oder Kontakte nicht erforderlich sei.

Für die Leistungsgewährung gem. § 6 Abs. 2 SGB VIII ist aber der gewöhnliche Aufenthalt des Anspruchsinhabers im Inland erforderlich; auch die Regelung des § 6 Abs. 4 SGB VIII stellt dies nach hier vertretener Ansicht nicht außer Frage. Eine Erziehungsberechtigung also Sorgerechtsvertretung berechtigt daher nicht zur Inanspruchnahme einer Leistungsgewährung von Hilfen zur Erziehung. Damit wäre eine Hilfegewährung in den Fällen nicht rechtmäßig, wo die anspruchsberechtigte Person nicht in Deutschland lebt; bis auf die Vorschriften der §§ 19 und 35a SGB VIII sind anspruchsberechtigt für Hilfen zur Erziehung nur die Inhaber der Personensorge. Die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bzw. die Anspruchsinhaberschaft ist Voraussetzung für eine beantragte Kostenerstattung.

Im Fall der ablehnenden Entscheidung der Bestellung eines Vormunds ist daher der Rechtsweg zu beschreiten; bis zur Bestellung eines Vormunds muss zur Sicherstellung der Bedarfe bzw. zum Schutz von Minderjährigen deren Inobhutnahme fortgesetzt werden. Im Übrigen ist auch für die Vertretung der Minderjährigen in den asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren deren gesetzliche Vertretung erforderlich. Auch hier genügt daher keine Antragstellung bzw. Vertretung von Minderjährigen im Verfahren durch eine:n Erziehungsberechtigte:n.

4. Anmeldung von Fällen zur Gewährung der Verwaltungskostenpauschale gem. § 7 des 5. AGKJHG NRW

Aufgrund verschiedentlicher Anfragen zu den Verfahren, die bei der Stichtagsmeldung zur Auszahlung der Verwaltungskostenpauschale zu melden sind, teilen wir mit, dass es sich grundsätzlich um einen zum Stichtag aktiven Fall handeln muss, in denen der Kostenaufwand des Jugendamtes regelmäßig aus der Gewährung von Leistungen i. S. d. 2. Kapitels des SGB VIII entsteht. Des Weiteren wird noch für aktive Fälle der vorläufigen Inobhutnahme und der Inobhutnahme die Verwaltungskostenpauschale gewährt. Grds. sind also folgende Fallkonstellationen Voraussetzung:

a) Es werden zum jeweiligen Stichtag Leistungen der Jugendhilfe gewährt, bei denen Kosten anfallen, die kostenerstattungsfähig nach § 89d SGB VIII sind.

b) Es werden zum jeweiligen Stichtag Leistungen der Jugendhilfe gewährt, bei denen Kosten anfallen, die kostenerstattungsfähig nach § 89d SGB VIII wären, bei denen ein Kostenerstattungsanspruch in Folge der Nichterfüllung der dem § 89d SGB VIII immanenten Voraussetzungen aber abgelehnt wurde oder aber ein Antrag auf Kostenerstattung in Kenntnis der Nichterfüllung dieser Kriterien gar nicht erst gestellt wurde.

c) Es werden zum jeweiligen Stichtag Leistungen der Jugendhilfe gewährt, bei denen Kosten anfallen würden, die bei Leistungserbringung durch einen Träger grds. kostenerstattungsfähig nach § 89d SGB VIII wären, bei denen ein Kostenerstattungsanspruch aber in Folge der bestätigten eigenen Aufgabenwahrnehmung durch Fachkräfte des Jugendamtes nicht zu erfüllen ist.

5. Kostenerstattung für Freihaltekosten, bei Mietkautionen und für Erstausstattungen

a. Erstattung von Freihaltekosten

Mit Rundschreiben vom 25.03.2020 hatte ich mitgeteilt, dass – aufgrund der damals rückläufigen Fallzahlen der unbegleitet eingereisten/geflüchteten Minderjährigen und der damals ausreichend vorhandenen Unterbringungskapazitäten – Freihaltekosten ab dem 01.03.2020 nur für den Tag noch erstattet werden, an dem der/die Minderjährige die Einrichtung ohne Mitteilung verlassen hat.
Diese Situation hat sich inzwischen grundlegend verändert. Daher wird die Erstattung von Freihaltekosten bei einem Verschwinden einer:s minderjährigen Ausländer:in aus einer Inobhutnahme- bzw. vorläufigen Inobhutnahme-Einrichtung wieder für 48 Stunden gerechnet ab dem Tag des Ausbleibens bewilligt.

Die Erstattung von Freihaltekosten bei der Gewährung einer Leistung zur stationären Unterbringung richtet sich – wie bisher – nach den Vereinbarungen der Träger, die in der Regel in Anlehnung an die ehemalige Rahmenvereinbarung getroffen wurden; ggf. sind diese Vereinbarungen auf Rückfrage zu bestätigen.

b. Erstattung einer Mietkaution

Eine Veränderung wird auch für die bislang gewährte Kostenerstattung für von den Trägern in Rechnung gestellte geleisteten Mietkautionszahlungen mitgeteilt. Bisher finden Sie dazu in unserem Kostenanerkenntnis
aufgenommen, dass eine Erstattung von Mietkautionsleistungen des Trägers unter der Voraussetzung erfolgt, dass eine Rückzahlungsvereinbarung abgeschlossen wurde, mit der eine Rückerstattung der Mietkautionsleistung durch die Vermieter:innen bzw. die Mieter:innen an den Träger vereinbart wurde.

Da es sich bei den Kautionszahlungen daher regelmäßig um eine an das Jugendamt zurückzuerstattende Auszahlung/Leistung handelt, die im Falle einer vorherigen Kostenerstattung vom Jugendamt an das Landesjugendamt zurückzuerstatten wären, wird von der bisherigen Praxis aus Gründen der Verfahrensvereinfachung bei den Erstattungsverfahren Abstand genommen. Mietkautionszahlungen werden daher zukünftig bei Kostenrechnungen nicht mehr erstattet. Wir bitten Sie, diese daher nicht mehr in Rechnungen mit aufzunehmen; sofern diese bereits in Rechnung gestellt wurden, die hier noch nicht bearbeitet bzw. zur Auszahlung gebracht wurden, erhalten Sie eine entsprechende Information per E-Mail m. d. B. um Anpassung der Sollstellung.

c. „Einrichtungsbeihilfe“

Grundsätzlich besteht gemäß § 39 Abs. 3 SGB VIII die Möglichkeit, sog. „Einrichtungsbeihilfen“, in der Regel zur Erstausstattung einer Pflegestelle, zu gewähren. Die Regelung des § 39 SGB VIII stellt die Unterhaltssicherstellung während der Hilfegewährung sicher. Folglich können die vorgenannten Beihilfen ihrer Zielsetzung nach nur (rechtmäßig) bewilligt werden, wenn sie (noch) bei stationären Unterbringungen im Rahmen der laufenden Jugendhilfeleistung dienen sollen.

Von der Kostenerstattung ist daher eine Gewährung von Beihilfen ausgeschlossen, in denen eine Einrichtungsbeihilfe bei Beendigung der stationären Maßnahme gewährt wird, weil der junge Mensch zur Verselbstständigung in eine eigene und/oder von anderen Sozialleistungsträgern finanzierte Wohnung zieht und die Jugendhilfe endet oder nur noch ambulant weitergeführt wird. Sollte der junge Mensch Einrichtungsbedarfe für Wohnraum haben, so sind diese dann durch andere Sozialleistungsträger zu decken.

6. Save-The Date: “Workshop Kostenerstattung § 89d für die wirtschaftliche Jugendhilfe” am 17.05.2023 in Münster

Am 17.05.2023 findet in Münster ganztägig für Fachkräfte der Wirtschaftlichen Jugendhilfe ein Workshop „Kostenerstattung…“ statt, bei dem wir Fragen der Erstattungen der Leistungen für un-/begleitete minderjährige Flüchtlinge klären und mit Praktiker:innen in Workshops in einen Austausch gehen wollen. Eine gesonderte Ausschreibung dieser Veranstaltung folgt in Kürze. Bitte merken Sie sich diesen Termin bereits vor.