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Jugendsozialarbeit - Handlungsfeld der Jugendhilfe im Übergang Schule - Beruf

15.10.2011 LJA

Kategorie: Veröffentlichungen

Schlagwort: Jugendsozialarbeit

Positionspapier Jugendsozialarbeit - Handlungsfeld der Jugendhilfe im Übergang Schule - Beruf

Mit diesem Papier will das LWL-Landesjugendamt Westfalen in kurzer und prägnanter Form die besondere Bedeutung der Jugendsozialarbeit herausstellen.

 

Die drei wichtigsten Punkte

  1. Jugendsozialarbeit ist eine kommunale Pflichtaufgabe.
     
  2. Jugendsozialarbeit ist aus fachlichen und aus finanziellen Gründen lohnenswert, weil Kommunen Folgekosten von Langzeitarbeitslosigkeit und sozialem Ausschluss beeinflussen können.
     
  3. Jugendsozialarbeit bedeutet hinsichtlich des sich abzeichnenden Fachkräftemangels konsequente und individuell angemessene Förderung und Forderung junger Menschen mit oftmals vielfältigem Hilfebedarf.

 

 

Arbeit und Beruf sind für jeden Menschen entscheidend. Sie sichern nicht nur den Lebensunterhalt, sondern haben auch Einfluss auf die Entwicklung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und sind eine wichtige Voraussetzung für die berufliche und soziale Integration.

Aber auch Staat und Gesellschaft haben ein erhebliches Interesse, schon weil die Folgekosten von Arbeitslosigkeit immens sind. In besonderem Maße gilt dies für Langzeitarbeitslose. Es muss daher frühzeitig alles getan werden, um Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu geben. Das bedeutet, dass gerade der Übergang junger Menschen von der Schule in Berufsausbildung und Arbeit als eine wichtige Phase in ihrem Lebensverlauf und Verselbständigungsprozess besonders im Auge behalten und unterstützt werden muss.

Von der demographischen Entwicklung und dem damit verbundenen Fachkräftemangel werden zwar möglicherweise auch viele Jugendliche profitieren, die man allgemein zu den sogenannten „Arbeitsmarktbenachteiligten“ zählt. Diejenigen benachteiligten Jugendlichen hingegen, die in der Regel ein Bündel von sozialen und individuellen Problemlagen „mit sich tragen“, sind von diesem positiven Trend aber weitgehend ausgeschlossen: z.B. Jugendliche mit Lernbeeinträchtigung und –behinderung, mit Drogenerfahrung, Jugendliche mit schwierigen sozialem Umfeld oder Elternhaus und Schulabbrecher. Oftmals sind es Jugendliche, deren Eltern bereits arbeitslos waren und deren mangelnde Bildungschancen nahezu „vererbt“ werden. So weist u.a. der Bildungsbericht 2010 darauf hin, dass (trotz der Verbesserung beim Zugang zur Berufsausbildung) die Situation für Jugendliche ohne oder mit nur schlechtem Schulabschluss oder mit nicht ausreichender Ausbildungsreife weitgehend schwierig bleibt, da parallel in vielen Berufen die Qualifikationsanforderungen steigen. Für ausländische Jugendliche gilt dies mehr noch als für deutsche. Damit sozial benachteiligte Jugendliche überhaupt eine Chance haben, an den positiven Entwicklungen am Ausbildungs-und Arbeitsmarkt teilhaben zu können, bleiben begleitende Unterstützungsleistungen für diese Jugendlichen notwendig.

Wie viele Jugendliche aufgrund von individuellen und sozialen Problemlagen sozialpädagogische und berufsbezogene Hilfen und Unterstützung benötigen, lässt sich allerdings nur schwer erfassen. Anzunehmen ist, dass bei rund 20% der jungen Menschen eines jeweiligen Jahrgangs besondere Risiken bestehen, die Integration in Ausbildung und Arbeit nicht erfolgreich zu bewältigen.

Jugendsozialarbeit - Handlungsfeld der Jugendhilfe

Jugendsozialarbeit ist ein eigenständiges Handlungs- und Aufgabenfeld der Jugendhilfe und wird neben der Jugendarbeit und dem erzieherischen Kinder– und Jugendschutz zum Bereich der Jugendförderung gezählt. Nach § 13 Abs.1 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) sollen jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.

Aufgabe der Jugendsozialarbeit ist es also, für Jugendliche – gerade wenn sie unter schwierigen Bedingungen aufwachsen – Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, um so zur Entwicklung einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beizutragen (12. Kinder – und Jugendbericht).

Arbeitsfelder der Jugendsozialarbeit

Zu den Arbeitsfeldern der Jugendsozialarbeit zählen 

  • Jugendberufshilfeangebote wie 

- berufsvorbereitende, berufsorientierende Maßnahmen z.B. in Jugendwerkstätten 
- Bildungs- und Beratungsangebote 
- sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen 
 

  • schulbezogene Angebote wie

- Präventionsangebote in Zusammenarbeit mit Schule 
- sogenannte Schulmüdenprojekte 
- Unterstützung und Beratung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften im Berufsfindungsprozess 
- Berufsorientierung, Berufswegeplanung 
 

  • Integrations-Migrationshilfen als Hilfe zur Eingliederung junger Menschen unterschiedlicher nationaler und kultureller Herkunft 
     
  • Wohnhilfen

- Jugendwohnheime 
- sozialpädagogisch begleitete Wohngemeinschaften 
- flankierende Wohnhilfen 
- sozialpädagogisch begleitetes Einzelwohnen 
 

  • Aufsuchende Jugendsozialarbeit


Jugendsozialarbeit ist kompetenz– und lebensweltorientiert, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und die gesellschaftliche Teilhabe der Jugendlichen sowie die Entwicklung allgemeiner-, beruf- und arbeitsweltbezogener (Schlüssel-) Kompetenzen zur Integration in Gesellschaft und Arbeitmarkt. 

Jugendsozialarbeit stellt Erziehungs-, Bildungs- und Beratungsangebote zur Verfügung, die an den individuellen Lebenswelten der Jugendlichen orientiert sind. Über informelles und nonformales Lernen werden Kompetenzen und Fertigkeiten vermittelt, die über schulisches Lernen (als formales Lernen) hinausgehen wie z. B. Konfliktlösung, Teamfähigkeit, Ausdauer, Lernmotivation, die wiederum wichtige Voraussetzungen für schulisches Lernen und Ausbildungsreife sind. 

Jugendsozialarbeit steht in engem Zusammenhang mit anderen Leistungen der Arbeitsverwaltung und der Sozialhilfe, aber auch der Schulen für förderbedürftige Jugendliche 

Jugendsozialarbeit ist gesetzlich zur Kooperation und Abstimmung mit diesen anderen Institutionen verpflichtet (§ 13 Abs.4 SGB VIII). Dies kann z.B. über regionale Jugendkonferenzen, Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGBVIII oder örtliche themenspezifische Arbeitskreise (runde Tische, lokale Netzwerke etc.) erfolgen.

Jugendsozialarbeit - Teil des Übergangssystems

Die Angebote der Jugendsozialarbeit mit dem Ziel, benachteiligte Jugendliche beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Arbeit zu unterstützen, sind Teil eines Übergangssystems, das sich in den vergangenen Jahren – vor dem Hintergrund anhaltender Arbeitsmarkt– und Ausbildungskrisen – stark ausgebaut hat. Der größte Teil dieser Maßnahmen wird über die Bundesanstalt für Arbeit (BA) finanziert. Darüber hinaus werden Maßnahmen über Landes- und Kommunalprogramme, über den Europäischen Sozialfonds oder auch über Stiftungen finanziert. Die Jugendhilfe spielt in diesem „Konzert“ eine eher randständige Rolle.

Bezogen auf die Kosten für das gesamte Übergangssystem werden grob gerechnet zur Zeit 5 % von der Jugendhilfe finanziert bzw. verantwortet und 95 % von anderen Akteuren. Dennoch lohnt sich kommunales Engagement in der Jugendsozialarbeit auch unter finanziellen Aspekten, weil es hier oft gerade um die Jugendlichen geht, für die i.d.R. bei (Langzeit-) Arbeitslosigkeit Unterstützungsleistungen aus kommunalen Mitteln gezahlt werden müssten. Und bei den immensen Summen des Finanzierungssystems sind 5 % immer noch sehr viel Geld.

Vorrang - Nachrang

Die Entwicklungen bzw. Reformen der Sozial – und Arbeitsmarktpolitik (besser bekannt als Hartz – Gesetze) zum Jahresbeginn 2005 haben auch direkte Auswirkungen auf die Zielgruppe der unter 25-Jährigen und damit auf die Jugendsozialarbeit. So ist die aktive Integration in den Arbeitsmarkt (nach dem Prinzip des „Förderns und Forderns“) dem Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) vorbehalten.

Grundsätzlich sind die Leistungen der Arbeitsverwaltung gegenüber den Leistungen der Jugendhilfe vorrangig. Dieser gesetzliche Vorrang bedeutet allerdings im Umkehrschluss nicht, dass kommunal finanzierte Leistungen der Jugendsozialarbeit nicht mehr erforderlich sind.

Denn der Vorrang der Eingliederungsleistungen der Arbeitsverwaltung nach SGB II gilt nur dann, wenn Sinn und Zweck der konkurrierenden Leistungen identisch sind. In allen anderen Fällen ist der öffentliche Träger der Jugendhilfe zur Leistung verpflichtet.

Der Vorrang von SGB II gilt also dann nicht bzw. es besteht Handlungsbedarf im Rahmen von Jugendhilfe / Jugendsozialarbeit, wenn

  • vorrangiges Ziel der Ausgleich sozialer Benachteiligung und soziale Integration und Stabilisierung der Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen ist,
  • es um Personen geht, die nicht Zielgruppe der Arbeitsverwaltung nach SGB II sind, weil sie
    - noch nicht 15 Jahre alt sind,
    - nicht erwerbsfähig sind,
    - nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II sind
    - Ausländerinnen und Ausländer ohne Arbeitserlaubnis sind
    - aufgrund von Sanktionen von den aktiven Leistungen des SGB II – Trägers nicht (mehr) erreicht werden (können).

Jugendsozialarbeit im Kinder- und Jugendförderplan NRW

Für Nordrhein - Westfalen ist die Jugendsozialarbeit in § 13 Kinder– und Jugendfördergesetz (KJFöG) und im Weiteren im Kinder- und Jugendförderplan mit den entsprechenden Richtlinien näher geregt.

Das Land NRW fördert jährlich mit rund 12 Mio. Euro (aus dem Kinder – und Jugendförderplan, KJP NRW) als Angebote und Projekte der Jugendsozialarbeit Jugendwerkstätten, Beratungsstellen und Schulmüden– und Präventivprojekte. Mit diesen Angeboten, die zum Teil seit mehr als 30 Jahren fester Bestandteil kommunaler und regionaler Jugendsozialarbeit sind, werden jährlich landesweit rund 45.000 benachteiligte Jugendliche intensiv beraten, betreut, unterstützt und begleitet.

Im Jahr 2009 wurden in NRW über den Kinder – und Jugendförderplan gefördert:

  • 48 Jugendwerkstätten; davon 17 in Westfalen – Lippe
  • 65 Beratungsstellen; davon 35 in Westfalen – Lippe
  • 60 Projekte und Angebote zur Vermeidung schulischen Scheiterns; davon 32 in Westfalen – Lippe

Mit Vermittlungsquoten von inzwischen über 50 % in reguläre Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, zum Teil auch reguläre Arbeitsmarktprogramme sind z.B. die Jugendwerkstätten sehr erfolgreich.

Der Übergang von der Schule in Ausbildung und Arbeit ist ein wichtiger Schritt im Verselbständigungsprozess junger Menschen und gleichzeitig wichtige Voraussetzung für ihre berufliche und soziale Integration. Bildungs– und Berufsabschlüsse bilden hierbei die zentrale Grundlage.

In den nächsten Jahren ist aufgrund des demographischen Wandels damit zu rechnen, dass die Zahl der Schulabgänger abnehmen wird und Fachkräfte fehlen. Dadurch verbessern sich möglicherweise auch die Chancen für benachteiligte Jugendliche. Voraussetzung dafür sind allerdings entsprechende Begleit– und Unterstützungsmaßnahmen, die eine Qualifizierung ermöglichen. Allerdings – und da sind sich die Experten in ihren Prognosen einig – ist für die nächsten Jahre nicht zu erwarten, dass die Zahl der Jugendlichen sinken wird, die die Schule ohne oder nur mit einem schlechten Hauptschulabschluss verlassen.

Die Notwendigkeit eines Fördersystems bleibt damit uneingeschränkt bestehen. In diesem Zusammenhang haben die Angebote der Jugendsozialarbeit – neben den Hilfe– und Dienstleistungsangeboten nach SGB II, SGB III, den Schulen und (Aus-) Bildungsträgern – als niederschwellige Maßnahmen für die sich anschließenden Unterstützungsangebote einen bedeutenden Stellenwert.

Die in NRW mit Landesmitteln geförderten Einrichtungsformen – also Beratungsstellen, Jugendwerkstätten wie auch die Angebote zur Vermeidung schulischen Scheiterns – werden ihrer Aufgabe als persönlichkeitsstabilisierende und soziale Benachteiligungen ausgleichende bzw. abmildernde Angebote der Jugendhilfe gerecht, ohne die es für diese Jugendlichen kein Einmünden in arbeitsmarktpolitische Eingliederungsleistungen geben würde. Jugendliche, die sich in den Regelsystemen „schwer tun“, aus diesen herauszufallen drohen oder gar herausfallen, erhalten in den Angeboten der Jugendsozialarbeit passgenaue Unterstützung, die ihre Bildungs- und Teilhabechancen erhöht. So können rund 50% der Jugendlichen, die eine Jugendwerkstatt besucht haben, nach Ablauf der Maßnahme in Arbeit, Ausbildung oder ein aufbauendes Berufsorientierung- und Beschäftigungsprojekt erfolgreich vermittelt werden oder soweit motiviert werden, ihren Hauptschulabschluss nachzuholen.

Im Rahmen eines benachteiligten-orientierten Übergangs von der Schule in Ausbildung und Arbeit haben sich auch die Angebote der Jugendsozialarbeit in Zukunft den gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen zu stellen. In diesem Zusammenhang sind z.B. Fragen aufzunehmen wie:

  • die inklusive Gestaltung des Übergangs Schule – Beruf,
  • die aktive Mitwirkung bei der Ausgestaltung des Übergangs Schule- Beruf innerhalb der Kommunen (Stichworte: Kommunale Bildungslandschaften, Kommunale Koordinierung des Übergangssystems Schule – Beruf),
  • die Auseinandersetzung mit einer zunehmend schwieriger werdenden Zielgruppe.

Nicht gelingende soziale und berufliche Integration von jungen Menschen führt zu Folgekosten, die vor allem die Kommunen belasten. Kommunale Jugendhilfe ist verantwortlich für alle jungen Menschen bis 27 Jahren und insbesondere für die benachteiligten Jugendlichen, die einer besonderen Unterstützung und Förderung bedürfen. Hier gilt es, die betroffenen Jugendlichen darin zu unterstützen, die bestehenden Hürden auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit zu überwinden nach dem Motto „Kein Jugendlicher darf verlorengehen!“.

Die Teilnehmerstruktur in den Angeboten wird jährlich über die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen – Lippe erfasst und ausgewertet. Für die Maßnahmen der landesgeförderten Jugendsozialarbeit haben die öffentlichen und freien Träger dieser Angebote in Zusammenarbeit mit den Landesjugendämtern Rheinland und Westfalen – Lippe und der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit NRW Empfehlungen für Qualitätsstandards entwickelt. Beide Publikationen können über das LWL-Landesjugendamt Westfalen (kostenfrei) angefordert werden.