Empfehlung zur Verwandten- und Netzwerkpflege
Normaler als man denkt: Wenn Pflegekinder beim Onkel oder den Eltern ihrer Freunde leben
Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat das LWL-Landesjugendamt eine Empfehlung zur Verwanden- und Netzwerkpflege erarbeitet, die viele Fragen rund um diese spezielle Form der Pflegefamilien beantwortet. Der Landesjugendhilfeausschuss hat die Empfehlung als weiteren wichtigen Baustein in Sachen Kinderschutz einstimmig beschlossen.
Kinder und Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, werden häufig in ihrem familiären oder familiennahen Umfeld aufgenommen und betreut. Oft kommen Kinder informell bei erwachsenen Geschwistern, Großeltern, Onkel, oder Tanten langfristig unter. Erst wenn ein solches Verwandtenpflegeverhältnis beim Jugendamt als Hilfe zur Erziehung beantragt und gewährt wird, wird daraus eine formelle Verwandtenpflege.
Als Netzwerkpflege werden Pflegeverhältnisse bezeichnet, bei denen ein junger Mensch bei Personen aus dem nahen sozialen Umfeld lebt. Pflegepersonen können zum Beispiel ehemalige Lebensgefährt:innen von Elternteilen, Pat:innen, Freund:innen der Familie, Eltern von Freund:innen des jungen Menschen sowie dessen Lehrer:innen oder Erzieher:innen sein. Im Gegensatz zu der Verwandtenpflege braucht es hier, nach acht Wochen, eine Pflegeerlaubnis vom Jugendamt.
"Anders als man vielleicht denken würde, sind Verwandten- und Netzwerkpflege ein wesentlicher Bestandteil in der Versorgung von jungen Menschen", so LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers. 28,6 Prozent aller jungen Menschen, die in einer Pflegefamilie wohnen, leben in einem formellen Verwandtenpflegeverhältnis. Zu informellen Pflegeverhältnissen gibt es keine validen Zahlen.
Im Gegensatz zur allgemeinen Vollzeitpflege, in der Menschen ein ihnen fremdes Kind aufnehmen, bieten Verwandten- und Netzwerkpflegefamilien einem mit ihnen verwandten oder bekannten jungen Menschen einen dauerhaften Lebensort. "Die Pflegepersonen übernehmen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, für die neben Anerkennung und Wertschätzung gleichermaßen fachliche Unterstützung und Begleitung zwingend erforderlich sind", so Westers weiter.
Dass besondere Konstellationen auch einen besonderen Blick der Fachleute benötigen, versteht sich von selbst. Während in der allgemeinen Vollzeitpflege Bewerber:innen im Vorfeld ausgewählt und vorbereitet werden, ist dies bei der Verwandten- und Netzwerkpflege meistens nicht der Fall, weil das Kind bereits bei ihnen lebt, bevor das Jugendamt dazu kommt.
Wie können Fachkräfte aus Pflegekinderdiensten diese Pflegeverhältnisse optimal unterstützen? Wie können die Pflegepersonen und Kinder unterstützt und begleitet werden? Wie kann der Kinderschutz gewährleistet werden? Zu diesen Fragen haben die beiden Landesjugendämter eine Empfehlung für Pflegekinderdienste entwickelt. Mitgewirkt haben daran Mitarbeiter:innen von Jugendämtern. "Die Veröffentlichung bietet den Fachleuten Orientierung und Handlungssicherheit für einen professionellen Umgang mit der Verwandten- und Netzwerkpflege", sagt Imke Büttner, Fachberaterin im LWL-Landesjugendamt Westfalen.
Die Empfehlung stellt die besonderen Ressourcen sowie die möglichen Herausforderungen der Verwandten- und Netzwerkpflege dar. So beschreibt sie z. B. fachliche Einschätzungen und Prüffragen zu Altersabständen von Pflegepersonen und Kindern, zu Einbeziehung der Eltern und zu Beteiligung und Schutz der jungen Menschen und untermauert sie mit konkreten Praxisbeispielen.