Empfehlung „Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene von Gewalt in Paarbeziehungen“
Empfehlung für Jugendämter
Welche Folgen hat das Miterleben häuslicher Gewalt für Kinder? Wie können Jugendämter fachlich angemessen mit Hinweisen auf Partnerschaftsgewalt, von der Kinder mitbetroffen sind, umgehen? Welche Auswirkungen haben diese z. B. auf die Gestaltung von Beratungsprozessen oder die Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren bei Sorge- und Umgangsregelungen?
Orientierung zu diesen Fragen bietet die neue Empfehlung „Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene von Gewalt in Paarbeziehungen“, die die beiden NRW-Landesjugendämter veröffentlicht haben.
Zum Hintergrund
In NRW werden jährlich mehr als 37.000 Menschen der Polizei bekannt, weil sie Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin erlebt haben. Betroffen sind zu 83% Frauen und zu 17% Männer (vgl. Polizei NRW – LKA 2020a). Zu vielen Partnerschaften gehören Kinder. Die miterlebte Gewalt beeinträchtigt die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen häufig nachhaltig. Nicht selten richtet sich die Gewalt auch gegen sie selbst. Das Miterleben von Partnerschaftsgewalt wird deshalb heute als eine Form der Gewalt gegen Kinder und als ein Indikator für Kindeswohlgefährdung anerkannt.
Die Möglichkeiten der Jugendämter
Mit ihrem grundlegenden Auftrag, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kommt den Jugendämtern eine besondere Rolle für den Schutz vor häuslicher Gewalt zu: Sie werden regelhaft von der Polizei über Einsätze aufgrund von häuslicher Gewalt informiert, bei denen Kinder im Haushalt wohnen. Sie haben damit die Chance, zeitnah in Krisensituationen Weichenstellungen heraus aus der Gewalt zu unterstützen. Sie können den Kindern und Jugendlichen, aber auch den gewaltbetroffenen und gewaltausübenden Elternteilen Orientierung geben und Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten zugänglich machen.
Die beiden NRW-Landesjugendämter haben deshalb die Anregung aus Jugendämtern aufgegriffen, sich über gemeinsame fachliche Orientierungen zu verständigen. Die Empfehlung „Kinder und Jugendliche als Mitbetroffene von Gewalt in Paarbeziehungen“ gibt fachliche Orientierungen und Hinweise zur Qualitätsentwicklung zentraler Schlüsselprozesse (Schutzauftrag, Beratung, Hilfeplanung, Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren) im Jugendamt/ASD zu diesem Thema.
Gelingensfaktor Kooperation
Schutz und Hilfe für die mitbetroffenen Kinder, für den gewaltbetroffenen Elternteil und die Auseinandersetzung des gewaltausübenden Elternteils mit dem eigenen Handeln und dessen Folgen gehören dabei untrennbar zusammen. Deshalb ist es ein Anliegen dieser Empfehlung, durch eine Vergewisserung über den eigenen Auftrag und die Handlungsmöglichkeiten der Jugendhilfe auch die Kooperation der verschiedenen Handlungsfelder, die mit häuslicher Gewalt befasst sind wie z. B. Frauenhilfe, Gewaltschutz, Strafverfolgungsbehörden oder Familiengerichte, weiter zu fördern.
Die Empfehlung wurde vom LWL- und vom LVR-Landesjugendamt in Zusammenarbeit mit Fach- und Leitungskräften aus dreizehn Jugendämtern unterschiedlicher kommunaler Verfasstheit erarbeitet. Sie wurde in Abstimmung mit den Kommunalen Spitzenverbänden NRW als Empfehlung gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII von beiden Landesjugendhilfeausschüssen beschlossen.
Wo ist die Empfehlung erhältlich?
Die Empfehlung steht hier als Download bereit und kann im Shop des LWL-Landesjugendamtes Westfalen bestellt werden (so lange der Vorrat reicht).
Nutzen Sie die Empfehlung für die fachliche Auseinandersetzung unter Fach- und Leitungskräften und die Weiterentwicklung der Arbeit zu diesem Thema in Ihrem Jugendamt sowie als Grundlage zur Gestaltung von Kooperationen z. B. mit der Frauenhilfe- und Gewaltschutzinfrastruktur.